Beschreibung des Visible Tunable Filter
Aufgabenstellung
Funktionsprinzip der 2D-Spektroskopie: Mit Hilfe eines schmalbandigen (NB = narrow band), durchstimmbaren optischen Filters werden nacheinander Aufnahmen der Sonne in unterschiedlichen Wellenlängen im Bereich von solaren Absorptionslinien gemacht. Der so erhaltene 3-dimensionale Datensatz wird in der Abbildung durch die NB-Bilderreihe dargestellt. Da im Linienkern solar Spektrallinien die Restintensität überwiegend aus höheren Bereichen der Sonnenatmosphäre stammt, ändert sich nicht nur die Intensität sondern auch die Struktur der beobachteten Bereiche im Bereich des Linienkerns. Dieser 3D-Datensatz enthält so für jeden Bildpunkt die volle spektrale Information, wie in der Abbildung für einen Bildpunkt entlang des roten Pfeils dargestellt. Simultan zu den schmalbandigen NB-Messungen werden Aufnahmen im spektral benachbarten Kontinuum gewonnen. Diese werden als Kontextdaten und zur Bildrekonstruktion verwendet. Für die Untersuchung von Magnetfeldern wird bei VTF der NB-Kanal nochmals aufgespalten, so dass das Licht mit zueinander orthogonalen Polarisationszuständen simultan, aber separat aufgenommen wird. (Abbildung M. Schubert/VTF/KIS unter Verwendung von MHD-Simulationen von M. Rempel (NCAR/HAO) und J.M. Borrero (KIS))
Die Aufgabe des Visible Tunable Filter ist es, Bilder der Sonnenoberfläche in einem eng begrenzten, abstimmbaren Bereich des Spektrums mit der höchten räumlichen Auflösung die das DKIST ermöglicht, zu erzeugen. Mit dem Instrument werden Absorptionslinien abgetastet, um präzise abbildende Spektroskopie, Spektro-Polarimetrie und Photometrie der Sonnenoberfläche zu ermöglichen. Mit den Beobachtungen werden zweidimensionale Karten der Sichtlinien-Geschwindigkeit und Eigenbewegung, sowie des Magnetfeld-Vektors in rascher Folge gewonnen, um die Entwicklung von solaren Strukturen für Skalen zwischen 20 und 40.000 km zu untersuchen.
Funktionsprinzip
Kernstück des VTF ist ein durchstimmbares, optisches Filter, mit dessen Hilfe es möglich ist, Aufnahmen der Sonne in einem sehr schmalen Wellenlängenbereich von etwa 6 pm - der sogenanten Filterbreite oder spektralen Auflösung - zu machen. Der Durchlassbereich des Filters (also die Farbe des Sonnenspektrums, das den Filter passieren kann), lässt sich dabei im Bereich des sichtbaren Sonnenspektrum vom roten (870nm) bis ins grün-blaue (520nm) einstellen und dort dann in sehr kleinen Schritten von wenigen Pikometern (spektral) schrittweise verstellen. Ein Nanometer entsprich einem milliardstel Meter (1nm = 10-9m), ein Pikometer einem billionstel Meter (1pm = 10-12m). Das kleinste Atom, der Wasserstoff, hat einen Durchmesser von etwa 50 pm.
Als einstellbare Filter kommen beim VTF zwei Fabry-Perot Interferometer (FPI oder auch Etalon genannt) zum Einsatz. Diese basieren auf dem Prinzip der Interferenz. Auf den Innenseiten von zwei parallel montierten Glasplatten ist eine teil-reflektierende Schicht aufgebracht. Breitbandiges (weißes) Licht, das in den Spalt zwischen den Glasplatten fällt, wird mehrfach hin- und her reflektiert, bis es wieder austritt, da die Platten nur teilreflektierend sind. Durch das hin- und her reflektieren löschen sich Lichtwellen aus, bei denen in Abhängigkeit von der Lichtwellenlänge und der Breite des Spaltes Wellen und Täler der sich überlagernden Lichtwellen gegenseitig auslöschen (destruktive Interferenz). Treffen dagegen Wellenlänge Berge und Täler so zusammen, dass sie sich verstärken (konstruktive Interferenz), kann das Licht diese speziellen Wellenlänge den Filter passieren. Die Bedingungen für konstruktive Interferenz wiederholen sich periodisch in Abhängigkeit von der Lichtwellenlänge und dem Plattenabstand. Um daher ein Etalon als schmalbandiges Filter verwenden zu können, muss man einen einzelnen dieser Durchlassbereiche isolieren. Dies erreicht man durch die Kombination von mehreren solcher Filter mit unterschiedlicher Breiten und unterschiedlichen Abständen der sich periodisch wiederholenden Durchlassbereiche. Im Fall des VTF werden zwei FPI und sogenannte Interferenzfilter kombiniert.
Design Übersicht
Das VTF erstreckt sich über ein Volumen von rund 4 m x 3 m horizontal und 6 m vertikal. Der untere Teil befindet sich unterhalb der Instrumentenplattform des DKIST-Coude-Labors. Das Licht errreicht das Instrument als paralleles (kollimiertes) Bündel. Eine Kameralinse erzeugt eine erste Fokalebene (F1), in welcher sich ein Blendenrad mit Feld- und Kalibrationsblenden befindet. Dann folgt ein weiteres Rad mit schmalbandingen Filtern zur Auswahl verschiedener Spektralbereiche, wiederum gefolgt von einem Modulator für den Polarisationszustand des Lichts. Der Monochromator (besser: optische, durchstimmbare Filter?) besteht aus zwei Etalons, welche in der Nähe einer intermediären Fokalebene (F2) angeordnet sind ("telezentrischer Aufbau"). Eine weitere Abbildung erzeugt die finale Fokalebene. Hier spaltet ein polarisierender Strahlteiler das Licht so auf, dass zwei Kameras simultan Filtergramme von orthogonalen Polarisationszuständen (je nach Modulatorstellung linear oder zirkular polarisiert) aufnehmen können. Hinter dem Blendenrad in F1 wird zudem über einen Strahlteiler etwa 10 % des einfallenden Lichts für einen sogenanngten Breitband-Kanal für Kontext Aufnahmen ausgekoppelt. Über breitbandige Filter werden hier zu jedem aufgenommenen schmalbandigen Filtergramm Aufnahmen im benachbarten Kontinuum der untersuchten Spektralliene aufgenommen. Diese Aufnahme dienen der Bildrekonstruktion auch der schmalbandigen Filtergramme und zur Ermittlung horizontaler Bewegungen im beobachteten Bildfeld.
Optikdesign
Der gesamte optische Aufbau des VTF umfasst 50 optische Elemente, die zum Teil wiederum aus mehreren Komponenten zusammengestzt sind, wie z. B. der Modulator oder die beiden Etalone. Die vereinfachte lineare Darstellung zeigt die optische Abbildung im Hauptstrahlengang: Vom Teleskop kommt ein paralleles (kollimiertes) Strahlenbündel. Die VTF Abbildungslinse L1 erzeugt daraus in der Ebene F1 eine erste Zwischenabbildung. Zuvor wird das Bündel durch die Umlenkspiegel M1/M2 einmal gefaltet. Um den F1 herum befinden sich eine Vielzahl von Komponenten zur Analyse des Lichts und zur Kalibration. Dieser Bereich wird als F1-Einheit bezeichnet. In der F1-Einheit wird auch über einen Strahlteiler etwa 10 % des Lichts für den Breitband- oder Kontext-Kanal ausgekoppelt. Im Filtergramm- oder Schmalband-Kanal wird der Strahl von L2 wieder kollimiert, durch M3 und M4 seitlich und nach unten umgelenkt. Der Kamera-Spiegel M5 formt dann eine weitere Zwischenabbildung F2. Die Etalons liegen nahe an F2 im von M6 und M7 gefaleteten, vertikalen Strahl. Nach dem durchlaufen der Etalone kollimiert M8 den Strahl wieder, der nach der Umlenkung von M9 und M10 wieder in die Nähe der F1-Einheit gelenkt wird. Dort wird dann von den Linsen L3 und L4 das Sonnenbild in der gewünschnet Skalierung auf die Kameras 1 und 2 abgebildet. Vor den Kameras werden mit Hilfe eines polarisierenden Strahlteilers zueinader orthogonale Polarisationszustände des Lichts getrennt. Wenn keine Magnetfelder untersucht werden, wird der Strahlteiler durch einen Glasblock ersetzt und nur eine Kamera ausgelesen. Der Kontext Kanal wird von der 3. VTF-Kamera ausgelesen. Die 3D-Darstellungen des Optikdesigns (unten) zeigen neben dem gefalteten Schmalband-Kanal auch den ausgekoppelten Teil des Breitband Kanal. Nicht enthalten sind versch. Kontroll-Einheiten zur Übeprüfung der Justage.
Mechanischer Aufbau
Modularer Aufbau der VTF-Tragestruktur in der Einbaulage im KIS-Labor.
Die einzelnen, geschweißten Module sind in separaten Farben dargestellt. Der rote horizontale Hauptrahmen stellt die Schnittstelle zum Labor und zu den beiden vertikalen Modulen darüber und darunter dar. Für den VTF-Aufbau am KIS wurde der Teil der DKIST-Coudé-Struktur nachgebaut, in den das VTF integriert wird (hier grau). Die grünen Träger sind an der Coudé-Struktur befestigt und speziell für VTF angepasst. Duplikate dieser Träger und der daran befestigten Flansche sind bereits am DKIST eingebaut und exakt wie im KIS-Labor ausgerichtet. Das schwerste Einzelmodul wiegt 800 kg, die Gesamtstruktur rund 2,4 Tonnen.
Um das VTF am KIS komplett aufbaunen zu können, wurde in einem extra angemieteten Gebäude ein Durchbruch von EG in den darunter liegenden Keller geamacht und eine Lüftungs- und Klimaanlage eingebaut. Am DKIST liegt der Hauptrahmen knapp über dem Laborboden und VTF ragt dort entsprechend im eigentlichen Labor höher auf.
(Abb. Th. Scheiffelen/VTF/KIS)
Aufgrund der ausgedehnten 3D-Struktur des VTF-Optik-Design kann das Instrument nicht als klassisches "Breadboard-Instrument" auf einer horizontalen optischen Bank aufgebaut werden. Neben einer stabilen und sicheren Unterbringung und Anordnung der optischen Baugruppen muss die Tragestruktur auch die Durchdringungen des Labor-Bodens in den darunter liegenden Bereich ermöglichen. Gleichzeit muss die Gesamtstruktur transportabel bleiben und sowohl im KIS-Labor als auch am DKIST eingebracht und aufgebaut werden können. Die Struktur und alle weiteren Komponenten müssen auf die in Maui möglichen starken Erdbeben ausgelegt sein. Die erste Eigenfrequnez aller Komponenten muss über 10 Hz liegen.
Für VTF wurden mehrere Struktur- und Montagekonzepte evaluiert. Realisiert wurde eine modular aufgebaute Stahlträger-Schweißstruktur an die Montageplatten angebracht werden, die dann wiederrum ein Schienensystem tragen, auf dem die kleineren Optik-Einheiten montiert werden. Die Stahl-Strukturen wurden manuell geschweißt und erreichen in der längsten Diagonalen von ca. 6 m eine Maßhaltigkeit von ca. 1 mm. Die Flanschflächen des horizontalen Haupt-Rahmens (Base-Frame), der zum einen die Schnittstelle zum Labor bildet und an den auch die vertikalen Rahmen-Module anschließen, wurden maschinell auf eine Genauigkeit von besser 1/10 mm überarbeitet. Die Struktur wurde so ausgelegt, dass sie an der engsten Stelle mit wenigen Millimetern Luft im Labor am KIS eingebaut werden konnte. Am DKIST sind die Platzverhältnisse etwas großzügiger.
Für die Etalon-Aufnahme wurde in die Stahlstruktur ein spezielles Etalon-Kompartment integriert, das unter anderem ein auf Schwerlastauszügen montiertes Breadboard trägt. Zur Montage der Etalons kann das Breadboard ausgefahren werden. Im Betrieb sind die Schwerlastauszüge fixiert. Das Breadboard kann entweder fest angebunden werden - oder falls notwendig - über erdbebensichere Dämpfer gelagert werden.
Der gesamte vertikale Teil des Instruments ist verkleidet, wobei das Etalon-Kompartment nochmals gegen Luftzug abgesichert ist.
Die sogenannte F1-Konsole ist die Trägerstruktur für eine Vielzahl von Einheiten, die sich in der Nähe des F1-Fokus befinden. Auf dieser Trägerstruktur sind auch die 3 VTF-Daten-Kameras montiert. Teile der F1-Konsole sind aus Sicherheitsgründen und zur Abdunklung von Streulicht sensiblen Bereichen verkleidet. Die F1-Konsole selbst ist direkt an das vertikale, obere Rahmenmodul befestigt.
Optomechanik
Die Optik des VTF ist in 40 Einheiten gruppiert. Insgesamt verfügt die Optomechanik über mehr als 300, genau spezifizierte, einstellbare Axen, von denen 41 elektrisch angetrieben sind. Streng genommen muss man daher zw. rein mechanischen Baugruppen wie Tragestrukturen, Abdunklungen und Montagehilfen, reinen opto-mechanischen Baugruppen (OM) und opto-mechatronischen Baugruppen (OME) unterscheiden. Das Mechanik-Arbeitspaket ist das mit Abstand Umfangreichste des VTF. Alleine für die OM und OME (ohne Etalon-Mechanik) wurden ca. 1400 Zeichnungen erstellt und über 2000 Teile hergestellt. Zu den auffälligsten Komponenten des VTF gehören zwei große Filterräder die jeweils 9 Interferenzfilter für den Schmalband - und Breitbandkanal aufnehmen können (plus einem Leerplatz) und die einen Filterwechsel innerhalb von max. 2 Sekunden ermöglichen. Im Betrieb werden diese Filterräder aber von einer Verkleidung verdeckt sein. Herausstechen werden dann noch die 3 Kamera-Montierungen mit auffälligen Messing-Schalen, die es erlauben, die Wissenschaft-Kameras exakt in 5 Achsen manuell auszurichten. Die größten Optik-Halterungen des VTF sind jene für die 4 vertikalen 40 cm Spiegel im Etalon Strahlengang, wobei die beiden abbildenden Spiegel, die sich im UG befinden, remote verfahren werden können und daher motorisierte Achsen haben. Die Abbildungslinse L1 ist ein Fraunhofer-Achromat, der aus zwei Linsen mit jeweils 30 cm Durchmesser bestehen. Die Einzellinsen sind sehr genau gegeneinander ausgerichtet. Der gesamte Achromat muss zum fokussieren innerhalb von 2 Sekunden, die ein Filterwechsel max. dauern darf, exakt verfahren werden. Die Linearachsen im VTF wurden von einem kommerziellen Anbieter VTF-spezifisch beschafft. Soweit es der Maschinenparkour und die Fertigungskapazität zugelassen haben, wurden die Baugruppen der OM und OME in der KIS-Werkstatt gefertigt und montiert. Sehr große Bauteile oder Baugruppen mit Genauigkeitsanforderungen unter 5 µm wurden von spezilisierten externen Fertigern hergestellt und vermessen.